06. Dezember 2018

Berufs-Talk mit Journalistinnen in Stralsund

In der Stadtbibliothek Stralsund sprachen am 06.12.2018 Journalistinnen aus Syrien und Mecklenburg-Vorpommern über ihre beruflichen Erfahrungen, Motivationen und Schwerpunktthemen. Einmal mehr erwies sich für MYN-Veranstaltungen eine Bibliothek als perfekter Begegnungsort.

Von: Tobias Scholz
Fotos: Stefanie Kulisch

Begegnung in Stralsund

Foto: Stefanie Kulisch

In der Stadtbibliothek Stralsund fand am 06.12. der erste „Berufs-Talk“ in der Meet Your Neigbours-Veranstaltungsreihe statt. In diesem Format kommen Migrant*innen und deutsche Frauen aus verschiedenen Arbeitsfeldern in Gesprächen über ihre Berufe zusammen. So tauschten sich an diesem Abend die aus Syrien geflohenen Journalistinnen Mofida Ankir und Naya Fahd mit den deutschen (schwerpunktmäßig in Mecklenburg-Vorpommern arbeitenden) Journalistinnen Clara Woopen und Anke Lübbert über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer beruflichen Praxis in Syrien und Deutschland aus. Moderiert wurde die Veranstaltung von Nathalie Nad-Abonji.

Foto: Stefanie Kulisch

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Nicht mehr Geschichten von Flucht und Gewalt bildeten den Mittelpunkt des Gesprächs, sondern die berufliche Identität, persönliche Motivationen, Erfahrungen und Interessen. So nahm etwa die Diskussion über den Unterschied von Aktivismus und Journalismus einigen Raum ein, ausgehend von Mofida Ankirs Beobachtung, dass im Krieg Journalismus in Syrien unabhängig davon, wo die Journalist*innen sich aufhalten, schwer vom politischen Aktivismus zu trennen ist. Journalistische Online-Portale fungieren als „Exilzeitungen“ und bilden angesichts gleichgeschalteter Regime-Medien die wichtigste Informationsquelle für Syrer*innen im Land wie im Exil.

Foto: Stefanie Kulisch

Vom Publikum nicht unbedingt erwartet, berichtete Mofida davon, dass einer ihrer Texte, der von einer syrischen Großmutter handelt, die als 63-jährige in Deutschland noch einen Sprachkurs absolvieren soll, auf einem syrischen Medienportal 20.000 Leser*innen erreicht hat. Ihr Text, aus dem einige Auszüge vorgelesen wurden, funktioniert für beide Öffentlichkeiten: die syrische wie die deutsche.

Foto: Stefanie Kulisch

Clara Woopen, als freie Autorin für taz und Siegessäule unter anderem in ländlichen Räumen unterwegs, hob das Wissen der syrischen Journalistinnen als Perspektive hervor, von der Journalismus in Deutschland allgemein erheblich profitieren kann: der distanzierte Blick von Menschen auf ihre Herkunfts- wie Aufnahmegesellschaften war schon immer eine wichtige Quelle journalistischen und literarischen Schaffens.

Foto: Stefanie Kulisch

Naya Fahd, die als Jugendliche nach Deutschland fliehen musste und nun ihren Schulabschluss macht, möchte sich journalistisch ausbilden lassen und stößt bei diesem Vorhaben neben Sprachbarrieren auch auf Probleme des ländlichen Raums: In Stralsund fühlt sie sich wohl, möchte bleiben, doch bieten sich hier nur wenige Optionen, sich auf konventionellem Wege für diesen Beruf ausbilden zu lassen. Anke Lübbert, die aus Mecklenburg-Vorpommern u.a. für die ZEIT schreibt, und die Moderatorin Nathalie Nad-Abonji, selbst Journalistin in MV, mussten dies anerkennen: „Die Medienlandschaft in MV braucht diese neuen Perspektiven, ist aber nicht offen für sie.“

Foto: Stefanie Kulisch

Andere Geschichten über das Hier und Dort sind es, die für die Menschen von Interesse sind und von welchen der Journalismus hierzulande so sehr profitieren würde – darin sind sich an diesem Abend alle einig. Klassische Probleme der ersten Migrant*innengenerationen, wie etwa Sprachbarrieren, dürften angesichts der oft hervorragenden Ausbildung der zu uns kommenden Menschen eigentlich keine Hemmnisse darstellen, als Journalist*in tätig zu sein. Jeder Text lässt sich übersetzen. Redaktionen müssen nur auf die Geschichten aufmerksam gemacht werden! WIR MACHEN DAS arbeitet mit dem Journalist*innentandem-Projekt „Wir sind viele“ zum Bespiel genau an diesem Ziel.

Foto: Stefanie Kulisch

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90 Minuten waren auch dieses Mal wieder einmal zu wenig Zeit, um alle angesprochenen Facetten dieses Themas ausreichend zu behandeln. Publikum und Diskutantinnen standen nach dem Ende der Veranstaltung sofort in vielen kleinen Gruppen zusammen, und die Stadtbibliothek Stralsund lieferte an diesem Abend einen weiteren Beleg dafür, was Bibliotheken doch für perfekte Begegnungsorte sind. Aber eben nicht nur an diesem Abend: Marlis Füssel, die Leiterin der Bibliothek, berichtete, das viele neu angekommene Familien das Angebot der Bibliothek sehr gerne nutzen. Meet your Neighbours findet in Stralsund täglich statt.

 

Foto: Stefanie Kulisch

Die Veranstaltungen der Meet Your Neighbours-Reihe finden statt in Zusammenarbeit mit der Allianz Kulturstiftung und der Stiftung :do.