26. Oktober 2016

Meet your neighbours in der Sendlinger Buchhandlung

Am 26. Oktober traf Denijen Pauljević in der Sendlinger Buchhandlung in München auf Shadi Mallouk und Soro Giovani Baba. Gemeinsam sprachen sie über Sport und Motivation, die Bedeutung von Erfolg sowie über ihr früheres Leben, das Ankommen und die Kommunikation in der neuen Umgebung. Es war ein Abend, der viel darüber erzählte, wie sehr Sport – so Shadi Malouk – Kultur ist.

Text: Sandra Hoffmann
Foto: Privat
Denijen Pauljević , Shadi Mallouk und Soro Giovani Baba während der Veranstaltung „Meet your Neighbours“ in der Münchner Buchhandlung Sendlinger Buchhandlung. Foto: Privat

Der ehemalige syrische Basketballnationalspieler Shadi Malouk ist vor drei Jahren nach München gekommen und trainiert inzwischen die Jugend- und Damenmannschaft des BC Hellenen. Soro Giovani Baba ist neunzehn Jahre alt, kommt von der Elfenbeinküste, von wo er als Dreizehnjähriger während des Krieges unbegleitet aufbrach. 2014 kam er in Deutschland an, machte 2016 den Hauptschulabschluss und hat vor einigen Monaten eine Ausbildung als Straßenbauer begonnen. Er wollte eigentlich Profi-Fußballer werden, wegen einer schweren Knieverletzung ist das jedoch nicht möglich.

„Sport ist language“, sagt Shadi bereits in dem kleinen Dokumentarfilm von Suli Kurban, den der Autor, Dramaturg und Musiker Denijen Pauljević zu Anfang der Veranstaltung zeigt. Shadi ist darin als Basketballtrainer zu erleben. Er wiederholt diesen Satz an diesem Abend mindestens noch einmal, und es ist zu spüren, wie ernst es ihm mit dieser Aussage ist, und wie er das lebt, wenn er sagt, er sei im Sport zuhause, es sei einfach mit Menschen zu kommunizieren im Sport, weil es eine gemeinsame Sprache gebe. Es mache es leicht, dass man ein gemeinsames Ziel habe. Und später, als er sagt, dass er nicht das Gefühl habe, der Ball sei aus Plastik, sondern sein Gefühl zu diesem Ball sei Liebe. Der Antrieb Deutsch zu sprechen, rühre aus seiner derzeitigen Profession als Basketballtrainer, er spüre, er spreche noch viel zu schlecht Deutsch, um darin unterrichten zu können, weil er für den Sport zu langsam spreche, im Sport gehe alles so schnell, seine Ansagen müssen also auch schnell sein. Deshalb spricht er derzeit beim Training noch eine Mischung aus Englisch und Deutsch. Eine Mischung, die er im Übrigen auch an diesem Abend sprach, und die sehr schön klingt.

Giovani Baba ist ebenfalls im Sport sozialisiert, bereits als kleiner Junge geht er auf eine Sportschule, also eine Schule, die gleichzeitig normale Schule ist, in der aber täglich Fußball trainiert wird. Sein Vater schickte ihn dorthin. Auf der Flucht spielt er in Libyen in der Junioren-Nationalmannschaft, aber nach einer Auseinandersetzung, über die er nicht genauer erzählt, will er dort nicht mehr bleiben. Als er schließlich in Deutschland ankommt, hat er ein irreparabel verletztes Knie. Das ist deshalb schlimm, weil er, so sagt er das noch immer: sehr glücklich sei, wenn er mit dem Ball auf dem Fußballfeld stehe.

Jetzt macht er eine Ausbildung als Straßenbauer, was ihm gut gefällt, weil er immer draußen ist.

Beide, sowohl Shadi als auch Giovani dachten, es würde furchtbar werden hier in Deutschland. Beide erleben jetzt das Gegenteil: Es ist gut hier, sagen sie. Und wenn man sich darüber wundert, muss man erleben, wie beide auf äußerst eindringliche Art und Weise für ein Leben in Gewaltlosigkeit genauso wie ein Leben ohne Drogen stehen. Zitat Shadi: „Wenn jemand ein Problem hat mit mir, dann bin ich freundlich – ich habe gelernt so zu kommunizieren, dass es gut ist.“ Zitat Giovani: „Wenn man versucht mit mir zu kämpfen, dann gehe ich einfach weg. Ich habe so viele Dinge gesehen in meiner Heimat, ich will es gut haben.“

Insgesamt war dies ein beachtenswert unaufgeregter und von großer Ruhe geprägter Abend, durch den Denijen so geführt hat, dass man am Ende das Gefühl hatte, hier drei ganz wunderbare, genauso in Demut wie in Selbstbewusstsein geschulte Männer, frei von jeglichem Machismo, kennengelernt zu haben.

Schönstes Zitat von Giovani, gefragt wie er sich fühle, wenn er, da er eben nicht hellhäutig ist, angeschaut wird: „Wenn mich Leute anschauen, dann denke ich, die schauen mich an, weil ich so gut angezogen bin oder so gut aussehe.“

Von Shadi auf Denjiens Frage, was er sich wünsche, was aus ihm werde: „Ich habe vor vier Jahren alles verloren. Jetzt starte ich neu. Was aus mir wird, weiß ich nicht, aber ich habe das Gefühl, gute Chancen zu haben. Ich lebe jetzt. Und ich würde mich schämen, wenn ich sagen würde, ich brauche etwas, weil: Somebody needs more.“