Maschinenraum:
Feuerbeständiger Raum, in dem das Triebwerk und dazugehörige Einrichtungen installiert sind.
Woraus besteht das Fundament einer guten Verfassung in schwierigen Zeiten?
Jede Krise ist eine Herausforderung, auch die aktuelle Pandemie. Für einen Staat wie Deutschland, dessen Grundgesetz auf Freiheit und Demokratie setzt, gilt dies in besonderer Weise. Entscheidungen sind zu treffen, in kürzester Zeit. Die Würde des Einzelnen und die garantierten Freiheitsrechte müssen gegen unterschiedliche Gefahren im Zusammenhang der Pandemie abgewogen werden. Sie geraten teilweise auch in Konflikt mit einem anderen durch die Verfassung garantierten Wert, dem „Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ (Art. 2 Abs. 2 GG) – oder mit dem Gemeinwohl. Die Politik wie auch jede*r Einzelne stehen vor Fragen, die sich gemeinhin kaum stellen. Und doch sind sie wesentlich für ein verlässliches Miteinander – nicht nur in Krisenzeiten.
Vierzig Essays wurden eingesendet
Im Rahmen des Projektes Demokratie? Eine Frage der Verfassung! waren alle Interessierten eingeladen, den „Maschinenraum der Demokratie“ in Form eines Essays zu erkunden. Ob aus wissenschaftlicher, journalistischer oder persönlicher Perspektive, ob auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Arabisch. Im Mittelpunkt standen die Fragen: Auf welchen Fundamenten stehen unsere mit dem Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte? Unter welchen Umständen sind wir freiwillig bereit, auf individuelle Rechte zu verzichten? Wie viel Vertrauen ist in der Krise erforderlich, und worauf gründet es? Welche Grenzen werden gezogen und durch wen?
Vierzig Einsendungen erreichten uns, stilistisch so vielfältig wie inhaltlich, von denen wir am Ende vier Beiträge ausgewählt haben. Diese haben wir jetzt in unserem Online-Magazin veröffentlicht. Sie sind aus unterschiedlichen Perspektiven geschrieben und setzen verschiedene Schwerpunkte.
Christin Figl fragt, wie wir die aktuellen Spannungszustände aushalten können, und verweist auf hitzebeständige Materialien sowie ein bewegliches UND statt starrer Positionen.
Den Ausgangspunkt des Textes von Iskandar Ahmad Abdalla bildet die Angst, die in Zeiten von Corona alle Menschen verbindet. Doch eben diese Angst und eingeschränkte Grundrechte seien für viele Migrant*innen nicht Ausdruck einer Krise, sondern ihr Alltag, schreibt er.
Deike Janssen beschäftigt sich mit der in Art. 3, Abs. 2 des Grundgesetzes deklarierten Gleichheit der Geschlechter. Anders als im Gesetzestext gefordert seien Frauen* bei politischen Entscheidungsprozessen nicht angemessen beteiligt und repräsentiert – doch gerade sie sind von den Auswirkungen der Pandemie zumeist überdurchschnittlich betroffen und erledigen die systemrelevanten Arbeiten.
Büsra Delikaya plädiert für einen allumfassenden Charakter des Freiheitsbegriffs, der niemanden ausschließt. Ihrer Meinung nach werden derzeit nicht nur die Widerstandsfähigkeit gesellschaftlicher Solidarität sowie die Früchte politischer Bildung und demokratischer Aufklärung auf die Probe gestellt. Auch die noch immer vorherrschende Kluft zwischen den sozialen Klassen sei besonders sichtbar und müsse uns beschäftigen.
Die Einsendungen zum Open Call haben uns noch einmal darauf aufmerksam gemacht, wie anstrengend, aber auch wie produktiv es im Maschinenraum der Demokratie zugeht. Wie vielfältig das Leben der Einzelnen davon geprägt wird. Und wie viel es noch zu tun gibt, um die Worte des Grundgesetzes wirklich mit Leben zu füllen, auch in der Krise.
Wir danken all denen, die sich mit einem Essay an unserem Aufruf beteiligt haben. Und wünschen allen Leser*innen eine anregende Lektüre!
Über das Projekt
Der Open Call for Essays ist im Rahmen des Projekts Demokratie? Eine Frage der Verfassung! entstanden. Für das Projekt nutzen wir die verfassungsbezogenen Jahrestage (100 Jahre Weimarer Reichsverfassung, 70 Jahre Grundgesetz und 30 Jahre Friedliche Revolution) für eine gesellschaftliche Debatte über die Grundlagen unserer Demokratie.
Alle Informationen zum Projekt finden Sie hier.
Demokratie? Eine Frage der Verfassung! ist ein Projekt von WIR MACHEN DAS in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld und der Robert-Havemann-Gesellschaft, gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.
Die Robert-Havemann-Gesellschaft wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und durch den Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.